"In dieser Situation ein möglichst faires System geschaffen" - Jaromir Zachrich und Volker Braun im Interview
Foto Hoch Zwei Am 17. Juli startet mit dem Turnier der Frauen in Düsseldorf die Road to Timmendorfer Strand. In den letzten Tagen entstand in Teilen des Spielerkreises Unmut über das Spielsystem, das als nicht fair bezeichnet wurde. Im Interview nehmen die ehemaligen Nationalspieler, DVS-Geschäftsführer Volker Braun und Athletensprecher und Präsidiumsmitglied Jaromir Zachrich, Stellung zu den Vorwürfen und erklären den Entstehungsprozess.Herr Braun, Sie sind als DVS-Geschäftsführer federführend für die Organisation der Road to Timmendorfer Strand verantwortlich und haben das Spielsystem mitentwickelt. Könnten Sie dies noch einmal kurz erläutern?
Volker Braun: „Aufgrund der Absage der deutschen Tour im März wollten wir ein Äquivalent finden, dass sowohl die Interessen der Spielerinnen und Spieler, der Sponsoren und des Fernsehens berücksichtigt. So kamen wir in Abstimmung mit dem Beach-Volleyballausschuss, Jaromir als Athletenvertreter im Präsidium und den Spielervertretern auf die Entwicklung des Spielmodus. Das System der Road to Timmendorfer Strand, mit jeweils drei Turnieren für die Frauen und Männer plus die Beach-DM, basiert auf zwei Teilnehmerfeldern. Zum einen jeweils die Top-8 Teams der deutschen Rangliste, die bereits für die Beach-DM qualifiziert sind und auf allen Turnieren ursprünglich um ein Preisgeld spielen sollten. Die Idee dahinter ist, dass man der nationalen Spitze Turniere auf Weltklasse-Niveau gibt, die eine Art Kompensation der abgesagten World Tour darstellt und Starts von internationalen Gastteams ermöglicht. Auf der anderen Seite wollen wir aber auch eine spannende Road to Timmendorfer Strand skizzieren, in der die Teams nach den Top-8 jeweils um drei Tickets zu den Deutschen Meisterschaften kämpfen. Also insgesamt neun Startplätze für die Beach-DM vergeben werden, von denen acht direkt dabei sind und ein Nachrücker-Team bei einem Ausfall bereit steht. So ist auch die Möglichkeit gegeben, dass Teams aus der Rangliste bis zum 21. Platz eine Qualifikationschance haben.“
"Es ging darum, den schmalen Grat zu gehen"
Wie genau sah der Entstehungs- und Entscheidungsprozess aus?
Jaromir Zachrich: „Hier ist ein kurzer Rückblick notwendig. Um die Diversität des Beach-Volleyballs gut abbilden zu können, habe ich im Januar allen Beachvolleyballer*innen ein Gremium zur Wahl gestellt. Aus den Bereichen Jugend, ambitionierter Amateursport, Techniker Beach Tour sowie Nationalteams sitzen dort seitdem jeweils zwei gut vernetzte Spezialist*innen. Wir befinden uns im ständigen Austausch, um in allen Bereichen bestmögliche Lösungen zu finden. Dabei ist die deutsche Tour nur ein Puzzleteil. Was wir sicherlich unterschätzt haben, ist die große Diskussionsfreude, die es im Beach-Volleyball gibt.“
Wie wurde im Bereich der Road to Timmendorfer Strand vorgegangen?
Jaromir Zachrich: „Für die deutsche Tour sind wir mit unseren Spielervertretern für den Bereich der Techniker Beach Tour als unsere Experten in den Beach-Volleyball Ausschuss gegangen. Ausgehend von der Situation, dass Beachvolleyball noch im Mai nicht stattfinden konnte, ging es uns darum, den schmalen Grat zwischen einem sportlich attraktiven und damit vermarktbaren Modus einerseits und Fairplay andererseits zu gehen. In der Kommunikation haben wir leider den Fehler gemacht, dass wir nicht die breite Spielerschaft mitgenommen haben, den Schuh ziehen wir uns als Gremium an. Natürlich hätte ich mich darüber gefreut, wenn man den entstandenen Unmut eher an uns herangetragen hätte, um in eine Diskussion zu gehen. Dies ist leider erst sehr kurzfristig passiert, nachdem Entscheidungen schon getroffen wurden.“
Wie bewerten Sie den Spielmodus und welche Stärken und Schwächen gibt es?
Volker Braun: „Nach der Absage der Techniker Beach Tour hatten wir uns die Möglichkeit offen gehalten, um zumindest noch, mit etwas Glück und je nach Entwicklung der Corona-Krise, die Deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand spielen zu können. Im Raum standen mehrere Qualifikationsszenarien, bei denen deutlich weniger Spiele und Qualifikationsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Mit dem aktuellen Modus ist es uns schlussendlich gelungen, dass wir mit SPORT1 ein attraktives TV-Paket schnüren konnten und in der Corona-Krise zusätzlich für unsere Sponsoren an Attraktivität gewonnen haben. Mit Blick auf die Ranglistenplätze ab dem 21. Platz ist es im Einzelfall sicherlich auch eine harte Entscheidung, aber für das gesamte Konstrukt in diesem Jahr unserer Meinung nach auch vertretbar.“
Jaromir Zachrich: „Uns war allen bewusst, dass es in diesem Jahr nicht einfach wird einen Modus zu finden, der alle zufrieden stellt. Wir sind aber der Meinung, dass wir in dieser Situation ein möglichst faires System geschaffen haben, weil sehr viele Teams die Möglichkeit haben, sich für die Beach-DM zu qualifizieren. Wir haben auch Verständnis dafür, dass es Spielerinnen und Spieler gibt, die mit den gesetzten acht Teams nicht glücklich sind. Wir mussten für die Road to Timmendorfer Strand aber einen Punkt definieren, an dem wir starten. Daraus ist der Weg entstanden, dass die aktuelle Rangliste als Gradmesser für die Setzliste dient. Die Alternative wäre gewesen, dass wir alles auf null setzen.“
"Vertrauen Stück für Stück aufbauen"
Was hat gegen die Entscheidung, alles auf null zu setzen, gesprochen?
Jaromir Zachrich: „Die Top-Teams haben aus sportlicher Sicht einen Stellenwert, den man natürlich berücksichtigen muss. Diese konnten seit März kein Turnier auf hohem Niveau bestreiten und werden mit Blick auf den Kalender in diesem Jahr kaum noch benötige Spielpraxis bekommen. In die Bearbeitung ist auch die sportfachliche Verantwortung eingeflossen, um einen Modus zu finden, der für alle einigermaßen gerecht ist, bei dem jeder aber auch Abstriche machen muss. So haben sich in den Diskussionen zuletzt auch die Top-8 Teams bereit erklärt, auf ihr Preisgeld zu verzichten und dies in einen Topf für die Beach-DM zu werfen. Dadurch haben wir bei der Beach-DM das gleiche Preisgeld wie im letzten Jahr. In der Corona-Krise ein sehr gutes Zeichen.“
Wie blicken Sie dem Argument entgegen, dass das Spielsystem nicht fair sei?
Jaromir Zachrich: „Ich tue mich sehr schwer mit dem Argument. Ich finde es hart, etwas als nicht fair zu bezeichnen, gerade wenn einige Top-Teams in der Diskussion als erstes Zeichen der Solidarität auf die Prämien verzichten, obwohl sie augenscheinlich und ganz explizit im Corona Jahr, die einzigen ohne Nebenerwerb sind. Daher wundert mich schon, mit welcher Vehemenz die Kritik teilweise vorgetragen wurde. Ganz objektiv betrachtet sind alle Duos direkt für die Beach-DM qualifiziert, die sich diesen Status über einen langen Zeitraum hart erarbeitet haben. Zumal wir über Wildcards auch die Möglichkeit für Teams offen halten, die sich neu gebildet haben.“
Volker Braun: „Ich kann nur zustimmen. Es ist keine willkürliche Auswahl. Wir reden hier von Teams, die sich ihren Status über einen längeren Zeitraum erarbeitet haben. Ich bin mir sicher, dass sich dies auch bei der Beach-DM zeigen wird, dass die sportliche Qualität auch den Sachverhalt repräsentiert. Es ist kein unübliches Verfahren, dass wir eine Auswahl über eine Rangliste treffen, trotzdem ist die Vielfalt deutlicher gewahrt, als im Vorfeld befürchtet wurde.“
Wie kann Vertrauen zwischen Spielerinnen und DVV wieder zurückgewonnen werden?
Jaromir Zachrich: „Wir sind erst am Anfang, aber die positiven Ansätze sind da. Daher möchte ich auch um einen Vertrauensvorschuss werben, dem man uns als Gremium geben sollte. Die Vertrauensbasis zwischen Verband und Spielern ist eine etwas eigenwillige Geschichte. Von außen betrachtet sieht man manchmal zwei bockige Kinder, die sich, sehr bildlich gesprochen, um eine Schaufel streiten. In der Arbeit in den letzten Monaten hat man aber gemerkt, dass auf beiden Seiten die Bereitschaft für konstruktive Gespräche vorhanden ist. Dort werden wir anknüpfen und Vertrauen auf beiden Seiten Stück für Stück aufbauen.“
"Den Weg nicht von oben nach unten durchdrücken"
Ein Spielbetrieb mitten in der Coronakrise ist schwierig zu realisieren. Sind Sie enttäuscht, dass so kurz vor dem Start nicht nur Freude, sondern auch Kritik aufkommt?
Jaromir Zachrich: Das wir es nicht allen Recht machen können war klar. Dennoch hoffen wir sehr, dass die sehr konstruktiven Gespräche in den letzten Tagen und Wochen gezeigt haben, dass wir versuchen tatsächlich die Interessen aller Spieler zu vertreten – eine naturgemäße Kompromissbereitschaft vorausgesetzt."
Volker Braun: „Ich sehe die Chance. Wir haben dieses Jahr einen großartigen Beach-Sommer. Die Beach Liga und wir haben am Ende über fünfzig Tage Beach-Volleyball eine Plattform geliefert. Das hat keine andere Sportart und zeichnet uns gemeinsam aus. Ich will die Kritik der Spielerinnen und Spieler damit gar nicht abtun, aber solche Konflikte bringen uns im Moment nicht weiter. Gerade mit Blick auf das große Ganze.“
Am Ende gab es Spielerinnen und Spieler, die trotz aller Kommunikation ihre Teilnahme abgesagt haben. Wie ist man damit umgegangen?
Volker Braun: „Wir haben auf alle Absagen ausführlich geantwortet. Insgesamt gab es trotzdem eine positive Tendenz, dass wir offen kommuniziert haben. Dies zeigt natürlich, dass auf dem Gebiet Nachholbedarf besteht, daher werden wir es in Zukunft pflegen und intensivieren. Ich kann nur dazu raten, dass solche Möglichkeiten des Austauschs auch von den Teams wahrgenommen werden. Bei allen unterschiedlichen Meinungen sind wir sehr freundschaftlich miteinander umgegangen. Nur so kommt man weiter.“
Jaromir Zachrich: „Für mich ist das entscheidend. Auch wenn wir uns in der Sache noch unterschieden haben, haben wir sehr konstruktive Gespräche geführt. Es findet definitiv ein Annäherungsprozess statt, der nur so fortgeführt werden kann. Auch wir als Athletengremium lernen daraus und werden in sehr naher Zukunft Prozesse anstoßen, die eine engere Kommunikation mit allen Athletinnen und Athleten ermöglichen. So können wir bald ein noch breiteres Meinungsumfeld vertreten.“
Herr Braun, Sie sind noch bis Ende Juli als DVS-Geschäftsführer aktiv, bevor David Klemperer das Amt übernimmt. Was würden Sie sich zukünftig für die Sportart wünschen?
Volker Braun: „Für die Sportart selbst von allem mehr. Warum sollten Turniere nicht größer werden, Preisgelder steigen und eine höhere Medienpräsenz für eine größere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit sorgen. Den Weg dahin kann man nicht von oben nach unten durchdrücken, daher ist es auch gut, wenn man Typen hat, die ihre Meinung vertreten. Beach-Volleyball ist konzeptionell näher an einer Einzelsportart, daher ist die Szene so bunt und ein großes Reservoir, aus dem wir in Zukunft mehr schöpfen sollten.“