Die Reise beginnt – Bundestrainer Felix Koslowski im Interview
Foto: FIVB In knapp einer Woche (25. Mai) beginnt für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft das Abenteuer Volleyball Nations League (VNL) in Rimini (Italien). Im Vorfeld spricht Bundestrainer Felix Koslowski über das Fehlen von Diagonalangreiferin Louisa Lippmann, neue Impulse im Team und wirft einen Ausblick auf die Herausforderungen in der „Bubble“.Felix, mit den Testspielen gegen Belgien (2:2, 1:3, 1:3, Anm. d. Red.) ist die Vorbereitung auf das erste Saison-Highlight, die Volleyball Nations League, abgeschlossen. Wie schaust du auf die vergangenen Wochen und die Partien zurück?
„Die Spiele gegen Belgien waren für uns sehr wichtig, da wir in den letzten anderthalb Jahren gar keine Möglichkeit hatten in der Form zu spielen. Des Weiteren haben wir einige neue Spielerinnen dabei, die jetzt die ersten Schritte in der Nationalmannschaft wagen. Ziel der drei Spiele war daher auch, dass wir unsere Stärken und Schwächen kennenlernen. Mit Belgien hatten wir dafür natürlich einen starken Gegner, der uns da klar gezeigt hat an welchen Stellen noch gearbeitet werden muss, aber es lief auch schon Einiges sehr zufriedenstellend. Wir haben auf jeden Fall einige Erkenntnisse gewonnen und werden gestärkt aus den Länderspielen herausgehen.“
Aufgrund der Corona-Pandemie wechselt ihr als Team von einer „Bubble“ in die nächste. Wie verarbeitet ihr das, vor allem mental, im Moment?
„Es macht es natürlich komplizierter und die Situation ist anders als gewohnt, aber wir müssen es pragmatisch sehen. Niemand hat es im Moment leicht. Wir können trainieren, wir können spielen und mittlerweile ist die Situation allen Spieler*innen aufgrund der Saison vertraut. Wir haben gelernt damit umzugehen, außerdem wird immer alles dafür getan, um überall bestmögliche Bedingungen für das Team zu schaffen.“
Bestmögliche Bedingungen brauch es sicherlich auch in Rimini. Euch erwarten mindestens 15 Spiele in fünf Wochen, gependelt wird nur zwischen einem geschlossenen Hotelkomplex und der Spielhalle.
„Das ist schon eine besondere Situation und Herausforderung. Normal bewegen wir uns eine Woche oder etwas mehr in einer „Bubble“, aber über diese lange Zeit ist es eine Situation, die wir bisher noch nicht kennen. Wir stehen seit Wochen mit der FIVB und den Organisatoren im Austausch, um sehr detailliert einen Einblick über die Gegebenheiten vor Ort zu bekommen. Wir planen eigene Gemeinschaftsräume und machen uns über die Ausgestaltung der Aktivitäten außerhalb des Trainings und der Spiele sehr viele Gedanken.“
Wie ist der Kontakt der Teams untereinander?
„Alle Teams sind auf verschiedene Hotelkomplexe verteilt. Darunter mehrere Teams in einem Hotel. Aufgrund des Hygienekonzeptes ist der Kontakt untereinander aber nicht möglich. Es wird z.B. feste Slots für die Nutzung von Außenbereichen geben.“
Lass uns einen Blick auf die Mannschaft und das Team ums Team lenken. Neu im Staff ist Athletiktrainer und US-Amerikaner Rett Larson, den man von seinen berühmten und teils millionenfach geklickten Warm-Up-Videos mit der niederländischen Nationalmannschaft kennt. Ich will ihn gar nicht darauf reduzieren, aber ist dieser Typ Mensch und diese Energie etwas, das bisher im Team gefehlt hat?
„Erst einmal ist wichtig, dass Rett eine sehr, sehr hohe fachliche Kompetenz hat. Er hat mehrere Jahre in China gearbeitet und hat in unterschiedlichen Sportarten Mannschaften auf Olympia vorbereitet. Im letzten Olympiazyklus hat er mit der niederländischen Frauen-Nationalmannschaft zusammengearbeitet und hat für sich eine neue Herausforderung gesucht. Wir haben ebenfalls überlegt, an welcher Stelle wir neue Impulse im Team setzen können und haben entschieden, dass wir im Athletikbereich zukünftig auf eine externe Person setzen, die uns neue Energien, Ideen und Sichtweisen gibt. Da ist Rett ein absoluter Fachmann. Seine tänzerischen Qualitäten sind unbestritten, darauf können wir uns zusätzlich freuen (lacht).“
Wen siehst du tänzerische nach ihm am stärksten?
„Aus meiner Sicht hat Co-Trainer Christian Wolf hier das größte Potenzial. Das wird sicherlich ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihnen (lacht).“
Foto: Sebastian Wells/OSTKREUZMit dem Auftaktspiel gegen Russland am 25. Mai bestreitet ihr Euer erstes Pflichtspiel seit dem 12. Januar 2020. Eine sehr lange Zeit ohne Wettkampf.
„Ja, es ist eine verdammt lange Zeit. Ich glaube, dass auch deswegen die Vorfreude sehr groß ist und die Spielerinnen sich freuen, wenn sie das Nationalmannschaftstrikot wieder anziehen dürfen. Wir haben letzten Sommer gemerkt, wie es ist, wenn dieses Gefühl plötzlich nicht mehr da ist und plötzlich gar kein Wettkampf mehr stattfindet. Klar ist die aktuelle Situation im Hinterkopf, das wird aber nicht von der Vorfreude, endlich wieder gegen die besten Teams der Welt spielen zu können, übertroffen.“
Werden wir Überraschungen zu sehen bekommen?
„Daran glaube ich schon. Seit der Olympia-Qualifikation Anfang Januar 2020 haben sich in den Vereinen viele Spielerinnen weiterentwickelt, neue Gesichter sind hervorgetreten – auch bei uns. Es wird spannend zu sehen sein, was wir mit dem Beginn der VNL von allen Teams zu sehen bekommen.“
Was werden wir von Euch sehen?
„Eine schwierige Frage. Durch die wenigen Vergleiche in dieser Zeit weiß niemand so richtig, wo man aktuell steht und sich einordnet. Es wird in allen Nationen Spielerinnen geben, die auf die VNL leider verzichten müssen und nach den teilweise sehr herausfordernden Saisons einfach eine Pause brauchen. Es wird Mannschaften geben, die Olympia im Hinterkopf haben, daher ist eine Einschätzung sehr schwierig. Für uns ist die VNL sehr wichtig, weil sie unseren Start in den neuen Olympiazyklus markiert, und so werden wir auch in alle Partien gehen.“
Definitiv fehlen wird Diagonalangreiferin Louisa Lippmann. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
„Louisa hat mit der gerade zu Ende gegangenen Saison eine sehr erschöpfende Zeit hinter sich gebracht. In der „Bubble“ in China und in Russland musste sie in sehr kurzer Zeit sehr viele Spiele absolvieren. In China ist sie beispielsweise auf 22 Spiele in 34 Tagen gekommen und wurde insgesamt einfach physisch und psychisch an Grenzen geführt. Gemeinsam mit unserer medizinischen Abteilung haben wir daher entschieden, dass das Risiko einer Verletzung in diesem Moment zu hoch ist und wir ihr für den weiteren Saisonverlauf eine dringend benötigte Regenerationsphase ermöglichen müssen.“
Wie geht ihr als Team damit um?
„Für uns als Team ist ihr Fehlen natürlich eine große Herausforderung, aber auch eine große Motivation, an der man gemeinsam wachsen und sich weiterentwickeln kann. Die Mannschaft nur von den Leistungen von Louisa abhängig zu machen, würde ihr nicht gerecht werden, aber alle wissen: wenn Louisa spielen könnte, würde sie das auch tun. Unsere Ziele sind unverändert und der Wille sowie Motivation sind sehr groß.“
Wer steht auf ihrer Position jetzt bereit?
„Die genauen Pläne möchte ich noch nicht verraten. Klar ist: Kimberly ist unsere Nummer eins, dahinter möchten wir die Position mit einer unserer Außenangreiferinnen besetzen. Wir werden uns vorher aber nicht in die Karten schauen lassen. So viel sei verraten: Das Selbstbewusstsein der Spielerinnen ist sehr groß und wir freuen uns auf die Herausforderung.“