Camilla Weitzel: Dank Auszeit auf dem Sprung nach ganz oben
(Foto: Justus Stegemann) Mit der EuroVolley 2023 in Düsseldorf (17. bis 24. August) wartet ein absolutes Highlight auf die deutsche Frauen-Nationalmannschaft. Erstmals seit zehn Jahren findet eine EM wieder im eigenen Land statt. Wir stellen alle Spielerinnen in einer kleinen Serie vor. Weiter geht es mit Mittelblockerin Camilla Weitzel.Camilla Weitzel ist angekommen in der großen Volleyballwelt. Im Herbst spielt sie ihre dritte Saison in Italien, in der Nationalmannschaft ist die 23-jährige Stammspielerin. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Vor sechs Jahren spielte sie mit dem Gedanken ihre Karriere zu beenden – zu schnell war es zu weit nach oben gegangen.
Zum Volleyball kam Camilla Weitzel über ihre drei Jahre ältere Schwester, mit der sie direkt in einer Mannschaft spielte. An eine Profikarriere dachte sie damals noch nicht. „Für mich war das ein Hobby, ich wusste gar nicht, dass das ein Beruf sein kann, mit dem man sein Geld verdient“, sagt die Mittelblockerin. Erst als sie mit 13 Jahren das Angebot erhielt aufs Sportinternat zu gehen, machte sie sich darüber Gedanken. „Ich dachte, ich kann es ja mal ausprobieren und das Abenteuer wagen“, erzählt die gebürtige Hamburgerin. Vor Ort war sie schnell „angefixt“. „Natürlich wusste ich nicht, ob es mit der Profikarriere klappen würde, aber Jahr für Jahr kam es in greifbarer Nähe“, sagt Camilla Weitzel.
Mit 16 Jahren erhielt sie ein Doppelspielrecht für die 1. Und 2. Bundesliga, spielte in zwei Nachwuchs-Nationalteams und war zudem im Sand aktiv. 2017 wurde ihr dann alles zu viel. „Man verzichtet auf so viel“, erzählt sie. „Man sieht, was andere Teenager erleben, aber man selber eben nicht.“ Zudem vermisste sie ihre Familie. Damals stand sie vor der Entscheidung, die Junioren-WM zu spielen und danach vermutlich komplett aufzuhören oder sich eine Auszeit vom Sport zu nehmen. Sie zog die Reißleine. „Es war die beste Entscheidung, die ich jemals treffen konnte“, sagte sie heute. Zum Abschluss ihrer Auszeit spielte sie mit einer Freundin dann doch die U19-DM im Sand – und wurde direkt Vizemeister. „Das war ein richtig tolles Erlebnis“, sagt die 23-Jährige. Im Herbst wurde sie dann in die 1. Liga gezogen, „von da an ging es richtig bergauf“.
Natürlich hat sie durch den Profisport immer noch viele Entbehrungen, doch mittlerweile betrachtet sie dies mit einem anderen Blick: „Man muss sich immer vor Augen führen, was wir erleben können, was andere Teenager nicht erleben.“ Zum Beispiel mit ihrem Hobby Geld zu verdienen. „Wer kann sich schon in so einer glücklichen Lage schätzen, mit Anfang 20 den Lebensunterhalt mit dem zu bestreiten, was man liebt?“ Auch die vielen Reisen sieht Camilla Weitzel als Chance: „Jetzt waren wir in Japan, Südkorea und Brasilien – da würde ich ja ohne den Sport nie hinkommen.“ Man verzichte zwar auf vieles, aber bekomme eben am Ende auch wieder viel raus.
Ihren bisher „einprägsamsten Moment“ mit der Nationalmannschaft erlebte sie direkt bei ihrer ersten EM. Als „Küken“ durfte sie in der Vorrunde gegen Russland spielen und verwandelte den Matchball. „Das war für mich eine Riesenerfahrung“, sagt sie. Weitere schöne Momente sollen jetzt bei der Heim-EM folgen. Für Camilla Weitzel ist es das erste Turnier im eigenen Land. „Ich freue mich, auch mal der Lokalmatador zu sein.“ Bisher kennt sie es nur, dass die Fans in der Halle den Gegner anfeuern. „Jetzt mal eine ganze Halle hinter sich zu haben wird bestimmt cool“, sagt die Mittelblockerin. An ihrer Position liebt sie vor allem den Schnellangriff und Killblocks, aber auch, dass sie den gegnerischen Block binden kann, um ihren Mitspielerinnen den Angriff zu erleichtern. „Selbst wenn wir den punkt nicht selber machen, arbeiten wir viel fürs Team und unterstützen unsere Mitspieler“, sagt Camilla Weitzel.
Die „Teamharmonie“ bei den DVV-Frauen sei aktuell „sehr groß“. Es mache „super viel Spaß im Training und auf dem Feld“. Jeder gebe alles für den anderen. „Wenn man fünf Monate miteinander unterwegs ist, ist es wichtig, dass man sich auch persönlich ganz gut versteht“, sagt die 23-Jährige. Mit einigen Mitspielerinnen versteht sie sich sogar so gut, dass sie trotz der vielen gemeinsamen Zeit noch zusammen in den Urlaub gefahren sind: Mit Corinna Glaab und Monique Strubbe war sie eine Woche in Barcelona – „das war richtig schön“. Wenn Camilla Weitzel mal nicht in der Halle steht, „was sehr selten vorkommt“, beschäftigt sie sich mit ihrem Wirtschaftspsychologie-Studium oder liest viktorianische Literatur. Ihre Lieblingsautorin ist Jane Austen. Die Nationalspielerin kocht auch gerne – meistens die Rezepte ihrer Mutter. Ihr Lieblingsrezept: Käsespätzle. Bis sie allerdings wieder selbst am Herd stehen kann, wird es wohl noch etwas dauern. Denn nach der EM steht auch noch die Olympia-Qualifikation mit den DVV-Frauen an.