Unsere Olympioniken: Johannes Tille – keine Angst vor großen Momenten

Foto: Flo Treiber Foto: Flo Treiber Für die deutsche Männer-Nationalmannschaft steht das absolute Saisonhighlight an: Die Olympischen Spiele. 13 Spieler kämpfen in Paris um Edelmetall für Deutschland. Wir stellen jeden einzelnen in unserer Serie „Unsere Olympioniken“ vor, zeigen ihren Weg nach Paris und blicken hinter die Volleyballer-Fassade. Als nächstes: Johannes Tille.

Die Familie Tille als volleyballverrückt zu bezeichnen grenzt noch an eine Untertreibung. Die Eltern spielten hobbymäßig und so waren auch die Kinder von klein auf in der Halle dabei. „Ich habe als Kleinkind schon im Ballwagen gelegen“, erinnert sich Johannes Tille. Im elterlichen Garten in Mühldorf zockte er stundenlang mit seinen Brüdern Ferdinand und Leonhard und Schwester Veronika. Es war der Beginn der erfolgreichen Volleyball-Karrieren der Familie Tille.

Der älteste Bruder Ferdinand ging mit 15 Jahren aufs Internat und schlug mit 17 erstmals in der 1. Bundesliga auf. 165-mal lief er als Libero für die Nationalmannschaft auf. „Als er es so früh in die 1. Liga geschafft hatte, wollten mein älterer Bruder Leo und ich das auch unbedingt schaffen. Ab da haben wir alles für Volleyball getan“, erinnert sich „Hannes“ Tille – damals war er gerade mal acht Jahre. „Bei mir war nie etwas anderes im Kopf, als es als Volleyballer zu schaffen.“ Deshalb wisse er auch nach wie vor nicht, was er nach seiner Karriere machen will. „Ich habe nie daran gezweifelt, entweder es funktioniert, oder ich habe ein Problem“, sagt der Zuspieler.

Foto: volleyballworld
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Durch Leonhard, der zwei Jahre älter ist, war er mit allem früher dran. „Ich habe immer mit den älteren gespielt und war quasi zwei Jahre voraus, daher habe ich Leo sehr viel zu verdanken“, sagt Johannes Tille. Ferdinand Tille half seinem Bruder später, in der 1. Liga Fuß zu fassen. Drei Jahre spielten sie gemeinsam in Herrsching. „Das war ein Traum von mir, das habe ich sehr genossen“, berichtet der 27-Jährige.

Anschließend zog es ihn ins Ausland, allerdings nur für kurze Zeit. Nach einem Jahr beim französischem Zweitligisten Saint-Nazaire Volley-Ball kehrte er in die Bundesliga zurück – eigentlich als zweiter Zuspieler bei den BR Volleys. Doch als sich Angel Trinidad verletzte, war Johannes Tille gefragt – und lieferte. Von da an begann sein rasanter Aufstieg. Er wurde in Berlin die unangefochtene Nummer eins im Zuspiel und begeisterte auch in der Nationalmannschaft, wo sich die Geschichte wiederholte: Lukas Kampa verletzte sich bei der Olympia-Qualifikation, Tille sprang ein und holte mit dem deutschen Team das Ticket für Paris.

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„Ich habe immer auf so eine Chance gewartet, weil ich wusste, ich kann mehr als das, was ich davor gezeigt habe“, sagt Tille zu seiner rasanten Entwicklung. Er habe sich nie groß Gedanken darüber gemacht, „ob ich verkacken könnte“, und mache es nach wie vor nicht. „Ich versuche alles locker zu machen, bisher funktioniert dieser Weg ganz gut.“ Genau diese mentale Stärke zeichnet ihn aus. „Ich habe keine Angst davor, große Situationen meistern zu müssen“, sagt er selbstbewusst und betont gleichzeitig: „Ich habe immer Spaß am Spiel und am Volleyball.“

Er selbst würde sich natürlich gerne als ersten Zuspieler in der Nationalmannschaft sehen, doch mit Lukas Kampa hat er einen erfahrenen Weltklassespieler als Konkurrenten – der Kampf um den Startplatz ist offen, was beiden guttut. „Lukas spielt dieses Jahr nochmal um Welten besser als das, was er letztes Jahr gezeigt hat“, sagt Tille. Das Training sei auf einem super Niveau, eben weil sie zwei sehr gute Zuspieler haben. „Im Training ist der Konkurrenzkampf bei allen sehr groß, wir fighten in jedem Training sehr hart, aber danach sind alle best friends“, beschreibt der Bayer die Teamharmonie.

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Mit Anton Brehme versteht sich Tille sowohl auf als auch neben dem Feld besonders gut, seit zwei Jahren teilen sie sich das Zimmer. „Wir spielen sehr gerne Karten, reden viel oder schauen zusammen Filme – ich könnte mir keinen besseren Zimmerpartner vorstellen“, sagt Tille. Ansonsten verbringt er seine Zeit auch gerne mit Moritz Karlitzek am See. „Ich habe das Angeln für mich gewonnen und auch einen Angelschein gemacht“, berichtet der Zuspieler.

Der See des Olympia-Trainingszentrums gibt auch einiges her. Die Angelgruppe des DVV hatte schon einen etwa 70 Zentimeter großen Aal und zwei rund 40 Zentimeter große Welse an der Angel. „Gestern Abend hatten wir auch was dran, aber ich habe es verkackt“, erzählt der 27-Jährige. Das Beste an der abendlichen Angelrunde: Haben sie einen Fisch am Haken, bereitet der Koch ihn frisch für sie zu. „Dabei gibt er sich so viel mehr Mühe und hat richtig Spaß dabei, dann bekommen wir den Fisch auf einem fetten Silbertablett serviert mit richtig gutem Ofengemüse, das es sonst nie gibt“, schwärmt Tille. Er selbst kocht auch sehr gerne, am liebsten Ofenkartoffeln oder eine Dorade aus dem Ofen. Damit er dafür bestens ausgestattet ist, hat er selbst ein Stirnholzbrett und einen magnetischen Messerständer gebastelt. „Ich arbeite einfach gerne mit Holz“, sagt er.

Foto: volleyballworld
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Doch bevor „Hannes“ Tille wieder in der heimischen Küche stehen wird, kann er erstmal das französische Essen genießen. Damit bis zum Start des Turniers auch nichts mehr schief geht, hat er in den letzten Wochen viel auf Holz geklopft. „Das nervt mich selbst ein bisschen, aber ich kann einfach nicht anders“, sagt er lachend.

Etwas ungewohnt wird für Tille und sein Team der Zeitplan mit zwei Tagen Pause zwischen den Partien. Da kommen Erinnerungen an die Olympia-Quali hoch: „Die zwei Tage nach dem Italienspiel waren eine Katastrophe“, erinnert sich Tille an die quälend lange Warterei auf das nächste Spiel. Daher hofft er auch, in Paris die Zeit für andere Sachen nutzen zu können: „Ich würde sehr gerne mal ins Leichtathletikstadion.“ Für den Kopf wäre es sicher besser, aktiv zu bleiben und sich etwas anzuschauen, „als die ganze Zeit im Zimmer zu hocken und sich Gedanken zu machen“.

Einen Wehrmutstropfen musste Tille bereits verkraften. Aufgrund des frühen Spiels am Samstagmorgen werden die DVV-Männer die Eröffnungsfeier verpassen. Daher hat er nun die Schlussfeier im Blick: „Du musst eine Medaille gewinnen, damit du da hindarfst – und genau das ist auch unser Ziel.“

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