DVV-Frauen „BEI DER WM IN JAPAN“: Der Turm am Netz – Christiane Fürst blockt alles, was Rang und Namen hat!
Wenn sie zum Block hoch steigt, wird es oft dunkel über den Angreiferinnen und der Ball kommt schneller zurück, als man gucken kann. Christiane „Fürstl“ Fürst (21 Jahre, Dresdner SC) ist ohne Zweifel die beste Blockspielerin in der DVV-Auswahl und zeigt bei ihrer ersten WM-Teilnahme nicht nur in ihrem Paradeelement starke Leistungen.
Dass Fürst heute eine der weltbesten Mittelblockerinnen ist, zeichnete sich zu Beginn ihrer Volleyball-Karriere nicht an: Zu Beginn war Fürst körperlich nicht so stark, eine der Kleinsten und begann als Außenangreiferin, „ich habe zwischen 12 und 16 große Wachstumsschübe gehabt“, erzählt Fürst. Der Beginn erfolgte mit neun Jahren, „als eine Frau in den Sportunterricht kam und fragte, ob ich nicht Volleyball spielen will. Und da zu diesem Zeipunkt „Mila-Superstar“ (berühmte japanische Volleyball-Comic-Figur) angesagt war, und ich mit meinen Freundinnen in der Schule eh Volleyball rumgedaddelt habe, bin ich da hingegangen“, erinnert sich Fürst. Die Frau kam vom Dresdner SC, und es dauerte nicht lange, da kreuzten sich die Wege von Fürst und Klaus Kaiser, einem der Macher des DSC. 1995 wurde „Fürstl“ Mitglied des Dresdner Volleyball-Vereins, wo sie bis heute noch die gegnerischen Angreiferinnen zur Verzweiflung treibt. Bei ihrem Klub sammelte sie insgesamt fünf Deutsche Meisterschaften in der Jugend, u.a. auch mit Nationalmannschafts-Kollegin Corina Ssuschke, ehe sie über Landesliga, Regionalliga und Zweite Liga in der Saison 2002/03 in der Ersten Liga ankam. Weil sie bereits im Kader der Erstligamannschaft stand, machte sie auch nicht das Projekt „Juniorinnen in der 1. Bundesliga mit“. Doch der damalige Juniorinnen-Bundestrainer Rudi Sonnenbichler verzichtete natürlich nicht auf Fürst, obwohl er „mich gerne in Sinsheim gehabt hätte“, weiß Fürst. Bei der Juniorinnen-Weltmeisterschaft 2003 in Thailand machte Fürst dann das erste Mal international auf sich aufmerksam: Die 1,92 Meter große Mittelblockerin avancierte zur besten Blockerin des Turniers und war zudem noch zweiteffektivste Angreiferin: „Ich war sehr überrascht über die Auszeichnung ,beste Blockerin’ und über das gute Ranking im Angriff. Aber ich habe im Zusammenspiel mit Kathleen (Weiß) kaum Angriffsfehler gemacht“, meint Fürst, für die es dann rasant weiter ging. „Als ich aus Thailand zurückkam, ging es am nächsten Tag zur Frauen-Nationalmannschaft nach Heidelberg und einen Tag später zur Frauen-EM nach Ankara.“ Dort wurde sie regelmäßig in ihrer Spezialdisziplin Block für Zuspielerin Tanja Hart eingesetzt – mit Erfolg. An ihren ersten Blockpunkt im ersten Länderspiel erinnert sich Fürst heute noch genau: „Meinen allerersten Block haben ich gegen Gamova (RUS) gehabt, das war für mich als 18-Jährige natürlich riesig.“ Die EM-Bronzemedaille war der verdiente Lohn, und für Fürst ging es von nun an bergauf: Es folgte das „Wunder von Baku“, die erfolgreiche Olympia-Qualifikation, sowie die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Athen – mit Fürst als Stammspielerin. Sie hatte sich gegen so renommierte Kolleginnen wie Christina Benecke oder Kathy Radzuweit durchgesetzt. Wie bei Tanja Hart ruft auch bei Fürst das Stichwort „Olympia“ leuchtende Augen hervor: „Allein die Teilnahme war gut. Olympia ist so schön, das möchte ich auf jeden Fall noch mal schaffen.“
Doch zunächst liegt der Fokus auf dem hier und heute. Die WM ist für die deutsche Mannschaft sehr gut angelaufen, „wir haben eigentlich nur gegen die Niederlande schlecht gespielt. Wir wollen um die Plätze fünf bis acht spielen, und ich glaube, das schaffen wir.“ Auch bei der WM präsentiert sich Fürst in starker Form und ist von den gegnerischen Angreiferinnen gefürchtet: Gemeinsam mit den Weltklassespielerinnen Walewska (BRA) und Gamova (RUS) führt die Dresdnerin die aktuelle Blockstatistik mit 24 Blockpunkten an. Doch mittlerweile ist nicht nur der Block eine Stärke der 21-Jährigen: „Giovanni hat mir klar gemacht, dass nicht nur das Blocken wichtig ist, sondern auch der Angriff. Deswegen bin ich froh, dass ich mich in diesem Bereich verbessert habe.“ Und auch der Aufschlag ist eine neue Stärke von Fürst: Stand sie damals an der Grundlinie und schlug ihren Flatteraufschlag aus dem Stand über das Netz, so führt sie nun einen schnellen, druckvollen Sprung-Flatteraufschlag aus. Bereits acht WM-Asse stehen zu Buche.
Spielt Fürst ausnahmsweise nicht Volleyball, studiert sie Geschichte und allgemeine Sprachwissenschaft. Diese Fächer wurden ein wenig aus der Not geboren, weil sie eigentlich Medizin studieren wollte, dies aber aus mehreren unglücklichen Umständen nicht klappte. Für Fürst ist es wichtig, neben dem Volleyball noch etwas zu machen, „es ist Abwechslung und eine andere Welt, in der ich mich wohl fühle. Volleyball ist mein Leben, aber ich brauche auch geistige Anforderung.“
Ein Grund, warum sie immer noch in Dresden spielt, ist dieser „Wohlfühl-Faktor“. Eine Spielerin wie Fürst ist natürlich sehr interessant für das Ausland, mehrere italienische Erstligisten buhlten bereits in der Vergangenheit um sie. In der vergangenen Saison war es dann fast so weit: „Mit Novara war so gut wie alles klar, doch dann kam die schwache EM, eine schwache Saison, das Verpassen des Medizinstudiums und andere Dinge dazwischen. Es passte zu diesem Zeitpunkt einfach nicht“, meint Fürst und schiebt nach: „Aber ein Wechsel ins Ausland ist durchaus möglich, das weiß auch der DSC, mit dem ich in diesem Jahr unbedingt einen Titel gewinnen will.“
Ein Engagement im Ausland fördert auch die Persönlichkeit und würde sicherlich auch Fürst prägen und verändern. Fürst sieht sich selbst „als einen sehr ruhigen Menschen, teilweise auch auf dem Feld zu ruhig. Ich werde nie ein aggressiver Bolzen werden“, lacht sie. Einen Schuss mehr Aggressivität erhofft sich wohl auch Giovanni Guidetti, wie Fürst zu interpretieren weiß: „Manchmal glaube ich, er hofft, dass ich ihn zurück anschreie. Mein Fehler ist, dass ich vieles zu persönlich nehme. Obwohl ich weiß, was er bezwecken will, reagiere ich sensibel darauf.“
Foto FIVB: Auch eine der weltbesten Mittelblockerinnen braucht Tipps: Christiane Fürst mit Bundestrainer Giovanni Guidetti.
In solchen Situationen hilft Mannschaftsarzt Dr. Paul Schmeing, der nicht nur die richtigen Mittelchen verabreicht und zielgenau die Akupunkturnadeln setzt. Schmeing fungiert auch als Psychologe: „Nach Gesprächen mit Paul geht es mir gleich viel besser“, so Fürst.
Guidetti selbst ist sehr angetan von Fürst: „Ich glaube, dass ihr nichts fehlt, was die weltbesten Mittelblockerinnen haben. Sie muss nur damit beginnen, daran zu glauben“, spricht er das an, was Schmeing als „Selbstentwertung“ im Verhalten von Fürst diagnostiziert.
Corina Ssuschke, Mittelblocker-Kollegin im Verein und in der Nationalmannschaft, die sich bei der WM mit Fürst das Zimmer teilt, meint: „Sie ist sehr ruhig und oft zu nah am Wasser gebaut. Sie ist sehr sozial, hilfsbereit und zu gutmütig.“ Ein Schuss Aggressivität und Selbstvertrauen könne also nicht schaden. Physiotherapeut Patrick „Pecke“ Rißler lobt vor allem die enorm starke Physis der Mittelblockerin: „Sie ist physisch sehr stark, und dennoch legt sie in diesem Bereich von Jahr zu Jahr weiter zu.“ Die gegnerischen Angreiferinnen werden das nicht gerne hören…