Europäische Olympia-Qualifikation Halle/Westfalen (F): Russland qualifiziert sich für die Olympischen Spiele in Peking
Russland hat die europäische Olympia-Qualifikation in Halle/Westfalen gewonnen und sich somit für die Olympischen Spiele in Peking qualifiziert: Der Weltmeister gewann ein packendes Finale vor 5.500 Zuschauern gegen den zweifachen Europameister Polen mit 3:2 (25-23, 25-22, 11-25, 22-25, 15-12) und erhielt aus den Händen von Ralf Weber (Prokurist GERRY WEBER Management & Event OHG), Werner von Moltke (Präsident Deutscher Volleyball-Verband) und Jan Hronek (Vize-Präsident Europäischer Volleyball-Verband) das „Olympia-Ticket“.
Polen hat wie auch Vize-Europameister Serbien eine letzte Olympia-Qualifikationsmöglichkeit vom 17.-25. Mai in Japan, wenn unter insgesamt acht teilnehmenden Teams vier Peking-Tickets vergeben werden. In der Vergangenheit waren immer die beiden europäischen Vertreter darunter. Punktbeste Spielerinnen im Finale waren Malgorzata Glinka-Mogentale (26) und Katarzyna Skowronska-Dolata (19) auf polnischer Seite sowie Ekaterina Gamova (27) und Natalya Kulikova (11) bei Russland.
Startformation Russland: Marina Sheshenina, Liubov Shachkova, Natalia Alimova, Ekaterina Gamova, Natalia Kulikova, Yulia Merkulova, Ekaterina Kabeshova
Startformation Polen: Skowronska-Dolata, Anna Baranska, Maria Liktoras, Milena Saruek, Malgorzata Glinka-Mogentale, Eleonora Dziekiewicz, Mariloa Zelik (Libero)
Der Rahmen für das Finale stimmte, die polnischen Fans (ca. 1500) verwandelten das GERRY WEBER STADION in ein rot-weißes Fahnenmeer. Der erste Satz verlief zunächst völlig ausgeglichen, beide Angriffsreihen punkteten kontinuierlich aus der eigenen Annahme. Als sich Polen Mitte des ersten Satzes eine erste Auszeit gönnte, schien Russland beim 16-20 auf der Siegerstraße. Doch dann packte der polnische Block mehrfach zu und verkürzte bis auf einen Zähler. Den Satzgewinn konnte der zweifache Europameister jedoch nicht verhindern, eine Finte von Zuspielerin Sheshenina landete im Feld.
Polen zeigt sich nicht geschockt und sieht beim 13-8 wie der sichere Sieger des zweiten Satzes aus. Doch eine abermalige Serie der Russinnen, die von Fehlern und ihrem guten eigenen Blockspiel profitieren, lässt den Weltmeister erneut vorentscheidend in Führung gehen (19-22). Und das, obwohl der blasse Super-Star Shashkova beim Stand von 12-8 durch Safronova ersetzt wurde.
Bonitta reagierte und bot sein körperlich größtes Aufgebot aus. Das zahlte sich aus, Polen spielte sich – angefeuert von den fanatischen Fans – in einen Rausch und zerlegte das russische Ensemble in seine Einzelteile.
Russlands Coach Caprara reagiert nach dieser Vorführung und setzt wieder auf all seine Stars. Die scheinen den Schock des dritten Satzes gut weggesteckt zu haben und liegen in der Mitte des Satzes weit vorne (14-18). Dann legen die Polinnen abermals eine Serie hin, 7:1-Punkte gelingen den rot-weißen, vor allem Glinka und Podolec punkten in dieser Situation unwiderstehlich.
Der fünfte Satz muss die Entscheidung über den Sieg und das Olympia-Startrecht bringen. Nun ist es Russland in Person von Shashkova, die dem Spiel den Stempel aufdrückt. Blockpunkte gegen Skowronska und Liktoras sowie eigene erfolgreiche Angriffsaktionen der Nummer fünf Russlands schrauben den Vorsprung auf 5-10 hoch. Beim 7-13 schien alles entschieden, dann gelangen den Polinnen vornehmlich durch Dziekiewicz vier Zähler in Serie (11-13). Gamova sorgte für Matchbälle. Den ersten wehrten Skowronska noch ab, den zweiten setzte die 2,02 Meter große Gamova über den Dreierblock auf die Grundlinie zum umjubelten Sieg.
Ausführlicher Spielbericht
1. Satz
Gänsehaut-Atmosphäre und Finalstimmung in Halle/Westfalen. Das GERRY WEBER STADION ist fest in polnischer Hand, ca. 1.500 polnische Fans intonieren lautstark die Nationalhymne und feuern ihre Mannschaft schon vor dem ersten Ballwechsel grandios an. Glinka macht mit zwei harten Diagonalangriffen das 3-2, die Punktchance zur Zwei-Punkte-Führung vereitelt Gamova per Block. Beide Teams punkten zu in dieser Anfangsphase sicher aus der Annahme, zumal noch einige Aufschläge fehlerhaft sind (6-6). Als Gamova gegen Glinka im Block punktete, ging Russland das erste Mal in Führung (7-8). Polen schlug mit gutem Aufschlag von Sadurek zurück (9-8), ehe nach einem gepritschten Ball von Dziekiewicz der Ball für Sekunden auf der Netzkante tanzte, um dann doch auf der polnischen Seite herunter zu fallen. Ein Dreierblock gegen Shashkova, die überhaupt noch nicht im Spiel war, ließ die Polinnen erstmals mit zwei Zählern in Führung gehen (13-11). Dann gelang Shashkova die erste gelungene Aktion und der Ausgleich (13-13), bei der Chance zur Führung stoppte sie der polnische Block (15-14). Nach einem Block gegen Skowronska geht es erneut mit einem Punkt Vorsprung für Russland in die technische Auszeit (15-16). Als Skowronska einen Hinterfeldangriff völlig falsch trifft, liegt der Weltmeister erstmals mit zwei Punkten in Führung (15-17), ein Gamova-Angriff über den Block auf die Grundlinie bringt das 16-19 – Auszeit Polen. Zunächst verzieht Glinka ihren Angriff weit, dann punktet sie mit Angriff und Aufschlag (18-20) – Auszeit Russland. Ein Aufschrei geht durch das Publikum, als Gamova vom Dreierblock und anschließend Kulikova vom Zweierblock gestoppt werden (20-20). Die beiden geblockten Russinnen steuern dann jedoch die nächsten zwei Zähler bei und erzwingen eine weitere Auszeit (20-22). Als Merkulova ihren ersten Einbeiner versenkt, hat Russland Satzbälle, Liktoras wehrt den ersten ab (23-24). Eine „Not-Finte“ von Zuspielerin Sheshenina, der Ball kam zu schnell auf die Netzkante, kann die polnische Abwehr um Libero Zenik nicht vom Boden Fern halten – 0:1-Satzführung für Russland (23-25).
2. Satz
Beide Teams gehen mit ihren Startformationen des ersten Satzes den zweiten Satz an, Polen macht die ersten zwei Punkte (2-0). Caprara wechselt jedoch früh und bringt Maria Borodakova für Alimova im Mittelblock, nach Skowronska-Angriff an den Block bleibt es bei dem Vorsprung (5-3). Ein Kulikova-Fehler sowie ein Block gegen die bis dahin überragende Gamova lassen das Bonitta-Team weiter punkten (7-3). Beim 8-3 wechselt Caprara seine Zuspielerinnen, Marina Akulova kommt für Sheshenina. Nach einem Skowronska-Fehler sowie zwei starken Aktionen von Gamova (zunächst Abwehr dann Angriff) nimmt Bonitta seine erste Auszeit (9-7). Nachdem Russland bis auf einen Zähler heran kommt, sorgt ein polnischer Zwischenspurt für das 12-8. Caprara wechselt die bis dato völlig blasse Shashkova aus und bringt Natalya Safronova ein, die sich mit einem Angriffsfehler einführt (13-8). Nach drei russischen Punkten in Folge reagiert Bonitta und bringt Anna Podolec (für Skowronska), doch auch der nächste Punkt geht an Russland, weil Baranska an der Netzkante scheitert (13-12). Milena Rosner kommt für Baranska, die ebenfalls nicht so zur Geltung kam wie an den Vortagen und vor allem im sonst so starken Aufschlag patzte. Als Safronova eine Annahme etwas zu weit gerät, bedankt sich Dziekiewicz und erhöht (18-16). Die Führung ist schnell dahin, Merkulova pflückt sich die neun Zentimeter kleinere Podlec. Als Dziekiewicz ihren Aufsteiger neben die Seitenlinie setzt und die zurück gekehrte Baranska am Block scheitert, hat der Weltmeister das Spiel gedreht (19-22). Bonitta versucht alles, wechselt die Zuspielerinnen und bringt erstmals im Turnier Karolina Ciaszkiewicz (für Glinka), doch Russland lässt sich diese Führung nicht mehr aus der Hand nehmen. Podolec wehrt den ersten Satzball nochmals ab, dann verschlägt Baranska abermals ihren Service (22-25).
3. Satz
Bonitta setzt im dritten Satz auf seine größte Variante: Mit Liktoras, Podolec, Glinka und Skowronska sind vier Spielerinnen auf dem Feld, die größer oder knapp 1,90 Meter sind. Russland macht verständlicherweise mit der Formation weiter, die den Satzgewinn gelandet hatte. Nach einem Ass von Gamova geht Russland erstmals in Führung (3-4), Glinka drehte den Rückstand in eine Führung um (6-5). Nach einem weiteren Punkt der Spanien-Legionärin (Murcia) liegen die Polinnen bei der ersten technischen Auszeit mit zwei Punkten vorne (8-6). Angriffsfehler auf Seiten Russlands lassen Polen wie im zweiten Satz mit fünf Punkten in Führung gehen (11-6), ein Block Skowronskas gegen Gamova hält diesen Vorsprung (13-8). Als die längste Spielerin des Turniers abermals an der polnischen Wand scheitert, nimmt ihr Trainer Caprara eine Auszeit – die polnischen Fans sind in Hochstimmung (14-8). Polen spielt sich in einen Rausch, bei den Russinnen läuft nichts (16-8). Nach einem weiteren Block gegen Safronova schickt Caprara seine erste Zuspielerin Sheshenina aufs Feld, einen Zähler später Olga Fateeva für Gamova. Beim zweifachen Europameister klappt jetzt alles, die Russinnen werden regelrecht vorgeführt (21-9). Die polnischen Fans begleiten jeden Angriff ihrer Lieblinge mit „ras, dwa, dri“ (ein, zwei, drei), und die Spielerinnen lassen sich nicht lange bitten. Nach einem Fehlaufschlag von Fateeva heißt es Satzbälle en masse (24-11), Dziekiewicz versenkt gleich den ersten (25-11).
4. Satz
Nach dieser „Klatsche“ reagiert Caprara und beginnt mit seiner Startformation des ersten Satzes (lediglich Borodakova für Alimova), d.h. auch wieder mit Shashkova. Den besseren Start erwischen jedoch die Polinnen, die auch weiter von den Fehlern ihres Gegners profitieren (4-1) – Auszeit Russland. Ein Merkulova-Block (gegen Podolec) sowie ein Ass von Gamova lassen Russland wieder verkürzen (6-5), ein weiteres Ass der langen Angreiferin bringt den vierten Punkt in Serie (6-6) – Auszeit Polen. Zwei krachende Angriffe später liegt Polen wieder vorne – Liktoras und Glinka hatten die Bälle versenkt (8-6). Russland konterte abermals, Merkulova ist nicht zu stoppen (9-9). Als Glinka über den Block ins aus schlägt, übernehmen die Russinnen die Führung (9-11), die jedoch nach Skowronska-Angriff und Glinka-Lob wieder Makulatur ist (12-11). Das Duell der beiden Teams ist mitreißend, das der beiden italienischen Trainer auch, die emotional jeden Ballwechsel begleiten. Nach Angriff Kulikova geht Caprara in die Knie und ballt die Fäuste (13-15). Podolec vergibt die große Ausgleichschance, ihr Angriff landet um Zentimeter neben der Seitenlinie (14-16). Als Podolec einen Lob an die Antenne setzt und Skowronska ihren Angriff an die hintere Werbebande donnert, ist Russland nicht mehr weit vom Sieg entfernt (14-18). Aber Polen wehrt sich und vereitelt die Punktchance von Kulikova per Block (16-19). Dann serviert Podolec ein lupenreines Ass und Glinka blockt Gamova senkrecht runter (18-19). Nach dem vierten polnischen Punkt in Folge nimmt Caprara eine Auszeit (19-19). Führung für Polen: Skowronska drischt ihren Ball an den Block, von da landet er im Seitenaus. Russland kriegt den Ball nicht mehr auf den Boden, Kulikova scheitert am Block und wird durch Safronova ersetzt (21-19). Erst ein Fehlaufschlag von Podolec setzt dem polnischen Lauf ein Ende, doch Glinka hämmert ihren Angriff gnadenlos über den russischen Block ins Feld (22-20). Die polnische Hauptangreiferin ist in dieser Phase nicht zu stoppen und macht jeden Ball. Selbst gegen den Dreierblock behauptet sie sich (23-21). Ein Fehlaufschlag von Sheshenina bedeutet Satzbälle für Polen, Skowronska versenkt eine missgglückte Annahme von Safronova zum Satzausgleich (25-22).
5. Satz
Fertigmachen zum letzten Satz des Finals und der Olympia-Qualifikation. Polen gelingt das erste Mini-Break, weil Kulikova ihren Angriff verzieht (2-1), anschließend wird sie vom Block gestoppt. Als Glinka einen Rückraumangriff ohne Härte im Feld platziert, nimmt Caprara seine erste Auszeit (4-1). Das wirkt: Gamova und Merkulova versenken die nächsten Angriffe und verkürzen (4-3). Dann gelingt der Ausgleich, Borodakova blockt Podolec (5-5), danach die Führung durch Shashkova (5-6) – Auszeit Polen. Shashkova, lange Zeit nicht zu sehen im Finale, blockt Liktoras und anschließend Skowronska, Seitenwechsel (5-8). Die „Krise“ bei Polen setzt sich auch auf der anderen Netzseite fort, Podolec scheitert mit ihrem Angriff am Block von Sheshenina und muss dann vom Feld (Baranska kommt). Aber alle Maßnahmen fruchten nicht, der russische Block ist in dieser Phase übermächtig und räumt oberhalb der Netzkante alles ab (5-10). Liktoras durchbricht den Bann per Zwei-MeterSchuss, aber Baranska serviert abermals ins aus (6-11). Nach starker Abwehr von Libero Kabeshova bringt Shashkova den Angriff unter. Der Super-Star der Russinnen ist zur rechten Zeit zur Stelle. Gamova macht das 7-13, Dziekiewicz verkürzt zweifach (9-13). Als Safronova eine Annahme zu weit platziert, ist die polnische Schnellangreiferin zum dritten Mal in Serie zur Stelle – Auszeit Russland (10-13). Plötzlich Chaos im russischen Feld, die Souveränität ist weg, Polen verkürzt weiter (11-13). Dann punktet Gamova auf russischer Seite, Matchbälle Russland (11-14). Skowronska wehrt den ersten nervenstark im dritten Versuch ab, ein Angriff Gamovas über den russischen Dreierblock beendet das Finale und das Turnier (12-15). Die russischen Spielerinnen bilden einen Jubelkreis, die Polinnen lassen die Köpfe hängen. Russland hat sich für Peking qualifiziert, die Polinnen starten im Mai den nächsten Anlauf.
Foto Conny Kurth: Jubel im russischen Team über das "Olympia-Ticket".
Stimmen zum Spiel
Marco Bonita: "Wir haben alles gegeben, nie aufgegeben und für den Sieg gekämpft. Leider hat es nicht gereicht. Aber heute gab nicht mehr viele Unterschiede zwischen dem Weltmeister und uns, das macht micht optimistisch für die Zukunft. Wir haben jetzt noch eine Chance uns für die Olympischen Spiele zu qualifizieren und ich glaube, mit der Leistung, die wir in diesem Turnier gezeigt haben, können wir uns Hoffnungen auf Peking machen."
Giovanni Caprara:"Ich bin sehr stolz auf den Sieg meiner Mannschaft. Wir haben uns nach einer komplizierten Qualifikation für die Olympischen Spiele 2008 in Peking qualifiziert. Es war eine sehr gute Leistung von meiner Mannschaft, wir haben hier bei dem Turnier hier alle fünf Spiele gewonnen, darauf bin ich sehr stolz. Heute gegen Polen war es ein sehr hartes Spiel, aber am Ende haben wir uns im Blockspiel durchgesetzt!"