Bundesliga (M): Die Kampas – Wenn der Vater mit den Söhnen
Eine volleyballverrückte Familie aus dem Revier: Ulrich Kampa war in den 70ern und 80ern Nationalspieler, heute spielen die Söhne Lukas und David für Bottrop in der 1. Liga. Eine Geschichte über echte Menschen, die auf ihre Art Stars waren und sind.
Es begann mit einer Kursänderung. Als die Recherchen für diese Geschichte begannen, ging es um Ulrich, David und Lukas Kampa. Vater Uli war Nationalspieler, die Söhne David und Lukas spielen seit Saisonbeginn gemeinsam für die RWE Volleys Bottrop in der 1. Liga. Doch beim ersten Anruf bei Bottrops Manager Wolfgang Donat bekam das Thema einen neuen Blickwinkel: „Vergesst die Mutter nicht, sie ist die Lauteste auf der Tribüne.” Anruf Nummer zwei bei Uli Kampa brachte die Bestätigung: „Wenn wir uns treffen, sollte meine Frau dabei sein.” Okay, Botschaft verstanden.
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So saß am ersten Advent die komplette Familie Kampa am Tisch des Hauses in Witten-Herbede, neben den drei Männern waren auch Ehefrau Sabine (55) sowie Tochter Rebecca (18) dabei. Sie ist die einzige, die nicht vom Volleyball-Virus infiziert ist. Rebecca liest viel, spielt Klavier, will nach dem Fachabitur Ergotherapie oder Logopädie studieren und malt leidenschaftlich gern. An den Wänden im Hause hängen ihre Werke. Auch wenn sie selbst nicht ans Netz geht, ist sie „ein begeisterter Fan ihrer Brüder”, sagt Mutter Sabine.
Wie alle in dieser Familie. Deshalb geht es mitunter turbulent zu auf der Tribüne, wenn die Bottroper daheim spielen. „Uns lässt das nicht kalt”, sagt Sabine Kampa. „Wenn wir das Gefühl haben, der Trainer reagiert nicht, fordern wir auch mal Auszeiten.” Sabine Kampa ist in den 70er Jahren mit dem VfL Telstar Bochum in die 1. Liga aufgestiegen, fühlte sich dafür aber nicht stark genug und trieb lieber das Lehrerstudium voran. In Sachen Volleyball kann sie dennoch mitreden, obwohl „mir mein Aktionismus manchmal peinlich ist.” Ihr Mann hat dagegen große Probleme mit den Aufschlägen in der Bundesliga: „Die sind mir oft zu schlapp und einfallslos, oder ich verstehe die Taktik nicht.”
Lukas und David haben sich an die elterliche Kritik gewöhnt: „Sie wollen ja nur das Beste”, sagt Lukas. Die Kritik der Trainer ist anders. Sie wollen, dass ihre Taktik umgesetzt wird. Die Eltern sind schon zufrieden, wenn die Jungs gekämpft und gelacht haben. Der Spaß sei immer noch das Wichtigste, sagt Uli Kampa. Und der ist aktuell gegeben. Bottrop steht im Pokal-Halbfinale und hat Heimrecht gegen den Sieger der Partie Düren gegen Friedrichshafen. In der Liga sind die Bottroper Vierter und damit die Besten im Westen. Zuspieler Lukas Kampa wurde in sechs Ligaspielen vier Mal als Most Valuable Player der Bottroper ausgezeichnet.
Zwei Jahre hat 24-jährige versucht, beim VfB Friedrichshafen die Spielmacherrolle zu übernehmen. Doch der Tscheche Lukas Tichacek „war nun mal besser und beständiger”. Und so kehrte Lukas Kampa heim ins Revier. „Es waren zwei lehrreiche Jahre mit zwei Meistertiteln”, sagt er, „aber jetzt kann ich endlich zeigen, was ich drauf habe.” Für den zwei Jahre älteren David ist es bereits die vierte Saison in Bottrop. Beide bestreiten ihre erste Spielzeit in
einem Team, mal abgesehen von gemeinsamen Zeiten in Jugendtagen, wie beim Fußball in Herbede, Volleyball beim VfL Telstar Bochum und in der Schulmannschaft oder Beachvolleyball im Urlaub mit den Eltern im französischen Montalivet.
Vor zehn Jahren spielten sie mit dem Vater und Freunden im Wittener Beach-Center und wurden von der Trainingsgruppe um Julius Brink beobachtet. Deren Trainer Bernd Düsing und Ingo Schadwinkel sagten zu den Kampa-Brüdern: „Ihr müsst sofort mit nach Wuppertal kommen.” Was diese auch brav taten. David blieb sechs Jahre, dann wechselte er nach Bottrop. Für Lukas ging es nach drei Jahren zum Volleyball-Internat nach Frankfurt. Der Vater kann sich noch gut an den ersten Elternabend erinnern: „Da wurde das Ziel Olympia-Medaille ausgegeben. Für uns war das irritierend, aber auch nachvollziehbar.” Nach dem Motto: Wer sich keine Ziele setzt, erreicht nichts. Für Lukas ging es vom Internat weiter nach Friedrichshafen und von dort nach Bottrop.
Während der Bruder auf die Karte als Profi setzte, hat bei David das Medizinstudium Vorrang: „Volleyball auf hohem Niveau spiele ich vielleicht noch zwei oder drei Jahre.” Im Sommer hat er sein Physikum beendet, den ersten Abschnitt auf dem Weg zum Arzt. Für das Privatleben bleibt kaum Zeit: „Ab und zu kriege ich deshalb auch mal was von meiner Freundin zu hören.”
Dieses Thema ist bei Lukas anders gelöst. Er ist mit der für Vilsbiburg spielenden Lenka Dürr liiert. Vom Bodensee bis nach Niederbayern waren es rund 300 Kilometer, von Bottrop aus ist es mehr als doppelt so weit. Neulich spielte Vilsbiburg in Münster, und sie haben die Gelegenheit genutzt, sich am Vorabend des Spiels zu treffen. „Volleyball steht bei uns weit oben, deshalb akzeptieren wir die Situation so, wie sie ist”, sagt Lukas: „Ich will niemanden in meinen Leben haben, der hinter mir her zieht.” Die Volleyballkarriere genießt absolute Priorität, das Studium der Psychologie an der Fernuni ist eher Nebensache.
Vielleicht bleibt Lukas Kampa nur eine Saison in Bottrop, vielleicht werden andere Klubs – „gern auch ausländische” – auf ihn aufmerksam. Bundestrainer Lozano hat ihm gesagt, er solle jetzt erst mal spielen, dann würde es vielleicht eine Chance geben, die Zahl von bislang 15 Länderspielen zu erhöhen. Schließlich schwebt über allem ja noch der Traum von Olympischen Spielen.
Doch erst einmal gilt die Konzentration der Kampas ihrem Klub in Bottrop. Die Unterstützung der Eltern ist ihnen sicher, denn die wissen, was ihnen der Leistungssport gebracht hat. Der Vater sagt, er selbst sei ein schlechter Schüler gewesen, bis er mit dem Leistungssport begonnen habe: „Seitdem kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren. Das gilt auch für den Beruf.” Seit mehr als 20 Jahren leitet er die Intensivstation im evangelischen Krankenhaus in Hattingen und hat Verantwortung für Patienten und Personal: „Da musst du immer Leistung bringen.” Für die Assistenzärzte sei es unerträglich, wenn er sie antreibt: „Wie, ihr könnt schon nicht mehr?” Das gäbe es im Sport nicht, Volleyball hat ihn geprägt. Wie alle in der Familie. Sie werden also weiter fachsimpeln im Hause Kampa. Und vielleicht sind die Söhne ja eines Tages noch erfolgreicher als der Vater mit fast 100 Länderspielen und zwei Pokaltiteln mit Münster und Paderborn. Den Ehrgeiz haben sie mit auf den Weg bekommen.
(DVL)