World League 2011: Dr. Toni Kass: „Typische Erkrankung für Volleyball-Profis“

Dr. Toni Kass inmitten der DVV-Männer während der World League 2010.

Als ehemaliger Volleyball-Nationalspieler und aktueller Mannschaftsarzt des Deutschen Volleyball-Verbandes ist Dr. Toni Kass prädestiniert dafür, zu dem krankheitsbedingten Ausfall von Georg Grozer Stellung zu beziehen, zumal Kass selber an dem so genannten Raynaud-Syndrom litt. Wie sich die Krankheit darstellt, wie die Behandlungsmethoden aussehen und wie die Perspektive ist, verrät Dr. Toni Kass im „Interview der Woche“.

Georg Grozer leidet an dem so genannten Raynaud-Syndrom. Was verbirgt sich genau dahinter?
Kass: „Das Raynaud-Syndrom oder "Weißfingerkrankheit" ist eine Gefäßerkrankung. Anfallsweise wird durch eine plötzliche Verengung der Arterien die Durchblutung der Finger und Hände gestört, sie werden blass und kalt. Das verursacht Schmerzen.“

Ist das eine typische Erscheinung bei Volleyball-Profis und ist Grozer, als sehr muskulöser Spieler, prädestiniert dafür?
Kass: „Die Erkrankung ist sehr typisch für Volleyball-Profis und tritt mehr als sporadisch auf. Grundsätzlich sind bei Volleyballspielern zwei Entstehungsmechanismen denkbar: einerseits eine Verletzung der kleinen Gefäße durch immer wiederkehrende Ballkontakte z.B. bei der Abwehr und Annahme und andererseits durch eine Abklemmen der Gefäße durch eine kräftige -besonders hintere - Schultergürtelmuskulatur. Bei Georg scheint das tatsächlich die Ursache gewesen zu sein.“

Kennen Sie andere Volleyballer, die ebenfalls darunter leiden bzw. litten?
Kass: „Paul Schmeing war einer der ersten deutschen Spitzenspieler, bei denen das Raynaud-Syndrom aufgetreten ist. Nach einem Aufruf im Volleyball-Magazin konnte er dann etliche Leidensgenossen untersuchen und hat darüber seine Doktorarbeit geschrieben. Und soweit ich weiß, ist mit Andrea Geric auch ein bekannter serbische Nationalspieler davon betroffen. Und auch ich bin betroffen. In meiner kurzen Karriere bei den Senioren, einige Jahre nach Beendigung meiner aktiven Laufbahn, ereilten mich die kalten Finger an der Schlaghand. Noch heute müssen Paul und ich bei Kälte Handschuhe tragen, da die rechte Hand ganz schnell blass und kalt wird.“

War Paul Schmeing bei der Diagnose und Behandlung von Grozer involviert?
Kass: „Paul war uns mit seinen Erfahrungen sehr behilflich. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt, nicht zuletzt weil wir auch fast zwei Jahre in meiner Praxis zusammen gearbeitet haben. So haben wir z.B. den behandelnden Gefäßchirurgen um den Chefarzt Dr. Lösel-Sadee hier im Sana-Krankenhaus Gerresheim seine Doktorarbeit zukommen lassen. Die konnten sich gut an der Arbeit orientieren - auch wenn sie vorher keine Volleyballer mit dem gleichen Beschwerden untersucht haben - und haben einen Super-Job gemacht.“

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Foto Klaus Wegener v.r.: Dr. Toni Kass neben Physiotherapeut Oliver Klenk, Co-Trainer Juan Manuel Serramalera und Bundestrainer Raúl Lozano (von rechts).

Wie sehen die Behandlungsmethoden aus, wie kriegt man dieses Problem in den Griff?
Kass: „Wichtig war es, zunächst die genaue Diagnose zu stellen. In der Regel wird das Raynaud-Syndrom medikamentös behandelt: mit gefäßerweiternden Mitteln und mit Medikamenten, die die Gerinnung hemmen. Zusätzlich ist in der jetzigen Phase eine osteopathische und manualtherapeutische Behandlung sinnvoll.“

Grozer will die Probleme zunächst ohne Operation bewältigen. Ist das möglich?
Kass: „Auf jeden Fall. Eine Operation kommt nur dann in Frage, wenn größere Gefäße pfropfartig verschlossen sind.“

Georg Grozer hat trotz der Diagnose noch drei Spiele für seinen Verein in Polen bestritten. War das vernünftig oder hätte etwas passieren können?
Kass: „Als Profisportler holt man immer das Letzte aus sich heraus. Sicherlich war es ein hohes Risiko, das Georg auf sich genommen hat. Aber er wollte nach der guten Saison seinem Arbeitgeber zeigen, dass er nichts unversucht lässt. Und es ist gut gegangen. Es ist das alte Sportmediziner-Dilemma: Wenn ich als Doc nur gesunde Spieler spielen lassen würde, wären am Ende eines Turniers keine 6 mehr auf dem Feld.“

Grozer wird jetzt – auch auf ihr Anraten hin – zwei bis drei Monate Pause einlegen. Ist ein Comeback bei der EM (10. bis 18. September) möglich?
Kass: „Das wird sich zeigen. Unser Zeitplan ist darauf ausgerichtet, und ich halte es für ein realistisches Ziel. Aber: derzeit hat die Gesundheit die höchste Priorität.“

Bei ganz schlechtem Krankheitsverlauf: Droht Grozer im schlimmsten Fall das Karriere-Ende?
Kass: „Sollte er einen Rückfall erleiden: ja! Wir sind aber zuversichtlich. Nicht zuletzt, weil Paul Schmeing in seinen Untersuchungen in keinem vergleichbaren Fall einen Rückfall finden konnte.“

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