Männer-WM: „Das macht Lust auf mehr“ – Lukas Kampa im Interview
Zuspieler Lukas Kampa ist einer der Bronze-Helden unserer DVV-Männer. Unmittelbar nach der WM düste er mit seinen Eltern in die Heimat, wo er kurz Verschnaufen kann, ehe er wieder nach Polen zu seinem neuen Verein Radom muss. Wie er das Erlebte verarbeitet hat, was das Entscheidende für den Erfolg war, was er seinen Kritikern sagt und was er den DVV-Frauen bei der heute beginnenden WM in Italien zutraut, verrät er im Interview.
Wie schmeckt Bronze?
Kampa: „(lacht) Richtig dran geknabbert habe ich noch nicht, aber es ist sehr süß, wenn man sie sich zwischendurch anguckt, das mache ich ganz gerne. Wahrscheinlich schmeckt sie sogar süß, ich werde es nachher mal probieren.“
Mit etwas mehr Abstand und etwas ausgeschlafen: Wie fühlt sich die WM-Bronzemedaille an?
Kampa: „Immer noch sehr gut! Von der Euphorie sackt es in eine tiefe Zufriedenheit und Stolz. Man hat immer ein Grinsen auf dem Gesicht, wenn man daran denkt. Mit dem Abstand kommt die Gewissheit, dass wir unser Ziel, was wir uns gesteckt hatten, erreicht haben.“
Gab es einen kleinen Empfang zu Hause?
Kampa: „Ich bin mit meinen Eltern nach Hause gefahren, deswegen konnten die nichts vorbereiten. Ich habe gefragt, wo ist denn die Bundeskanzlerin, war aber keine da… Es war aber eine Fahne an der Tür mit „Bester Zuspieler der Welt“ angebracht, zudem gab es natürlich sehr viele Glückwünsche.“
Was hat die Familie, insbesondere dein Vater Ulrich Kampa als ehemaliger Nationalspieler, gesagt. Wie stolz war er?
Kampa: „Meine Eltern sind sehr stolz! Sie wollten unbedingt live dabei sein. Sie sind als Eltern stolz, dass ich diesen Weg durchgezogen habe und so viel erreicht habe.“
Foto FIVB: Lukas Kampa in Aktion.
Was waren die Gründe für den Coup und für die „Achterbahnfahrten“ mit Niederlagen und immer folgenden wichtigen Siegen?
Kampa: „Das ist eine Qualität von uns. Wir hatten schon den Scherz gemacht, dass wir demnächst Trainingsspiele zwischendurch organisieren und diese dann verlieren, damit wir die Spiele danach gewinnen. In den entscheidenden Momenten haben wir uns zusammen gerissen. Zwar haben wir nicht immer den besten Volleyball gespielt, aber das gespielt, was wir können. Das war am Ende ausschlaggebend, dass wir von Anfang geglaubt und gewusst haben, wenn wir unsere Leistung abrufen, schlagen wir sehr viele Gegner. Wir wussten, dass wir gegen Brasilien und Russland auch an Grenzen stoßen werden, aber alle anderen Gegner doch drauf haben. Und das macht zuversichtlich und stolz für die kommenden Jahre. Es war keine Glückssträhne oder ein Flow, es war unser Volleyball, der am Ende Früchte getragen hat.“
Vor den Halbfinals wurde die große „Medaillen-Plane“ aus Kienbaum eigens angeliefert. Eine Zusatz-Motivation?
Kampa: „Zumindest nochmals ein gedanklicher Schritt, was wir alles investiert haben. Es hat bei vielen hervorgerufen, wie lange wir in Kienbaum waren, wie akribisch wir uns vorbereit haben und dass wir uns mit eine Medaille belohnen können. Es ist eine Erinnerung, die uns niemand mehr nehmen kann, es war eine schöne Idee. Ich fand auch gut, dass wir Medaillenbilder von Anfang an in Kienbaum und auf den Zimmern hatten, es war ein roter Faden, der sich durchzog. Das motiviert ungemein.“
Der Sieg gegen Frankreich war eine echte Willensleistung. Die Franzosen waren platt, ihr auch, aber ihr wolltet mehr, oder?
Kampa: „Ich denke schon. Ich hatte vor dem Turnier gesagt: am Ende werden die gewinnen, die trotz Müdigkeit weniger Fehler machen. Und das war gegen Frankreich offensichtlich, dass der Kopf entscheidend war. Das haben wir in dem Moment besser gemacht. Wir sind eine Mannschaft, die nicht so sehr vom Enthusiasmus lebt wie die Franzosen. Dies hat ihr Kapitän auch anschließend gesagt, dass sie es nicht geschafft haben, durch ihre Abwehraktionen und Emotionen ins Spiel zu kommen. Wir waren fokussiert darauf, unseren Volleyball zu spielen. Und damit waren wir an diesem Tag stärker.“
Bester Zuspieler der WM! Wie hört sich das an?
Kampa: „Unfassbar! Ich habe sogar 50 Euro gegen Denis Kaliberda verloren, der mir vor der Siegerehrung gesagt hat, dass ich bester Zuspieler werde. Ich wusste zwar, dass ich in den Statistiken vorne war, aber für mich war nicht klar, dass sie danach gehen. Ich hatte gedacht, dass sie diese Trophäen unter Polen und Brasilien aufteilen, womit ich auch einverstanden gewesen wäre. Aber das nehme ich natürlich gerne hin. Was mich stolz macht: ich habe nicht einen Glücksball nach dem anderen gespielt. Ich weiß, ich habe eine sehr gute WM gespielt, was ich auch in den nächsten Jahren zeigen kann. Die Auszeichnung ist das i-Tüpfelchen. Aber natürlich hätte ich es ohne die Mannschaft nicht geschafft, ich hatte bärenstarke Angreifer dabei, die in den entscheidenden Situationen viele Entscheidungen abgenommen haben.“
Ist das auch eine kleine Genugtuung für dich, nachdem es in den Vereinen zuletzt nicht immer alles bestens für dich lief?
Kampa: „Ja, das muss ich schon sagen. Da gucke ich mit einem gewissen Grinsen in den Süden oder Osten, es war die beste Antwort, die ich den Vereinen geben konnte, die meinten, ich würde qualitativ nicht ausreichen. Ich kann denen ein Foto von der Auszeichnung schicken, vielleicht überlegen sie es sich nochmals neu.“
Was passiert mit den 10.000 US Dollar, die es als Prämie dafür gibt?
Kampa: „Ich habe direkt danach gesagt, die Hälfte geht an die Mannschaft, die andere Hälfte an mich. Es ist ein Titel, den ich alleine nicht gewinnen kann, deswegen war mir das sofort klar. Ich werde die Mannschaft fragen, was wir nächstes Jahr damit machen wollen.“
So richtig genießen könnt ihr den Erfolg nicht, die Vereinssaison startet in Kürze (erstes Spiel am 4. Oktober). Wann musst du nach Radom/POL zu deinem neuen Verein?
Kampa: „Ich werde Donnerstag früh anreisen, die zwei Tage in Deutschland habe ich mir hart erkämpft. Natürlich haben wir jetzt nicht drei Wochen Urlaub und Zeit die Füße hochzulegen. Aber ich freue mich, dass ich in Polen bin. Ich denke, die Euphorie durch den WM-Titel für die Polen und unser Bronze wird sehr groß sein.“
Foto FIVB: Auszeichnung als bester Zuspieler der WM: Lukas Kampa.
Mit Dirk Westphal bildest du dort ein „Bronze-Duo“. Wird das erste Training mit Medaille absolviert?
Kampa: „(lacht) Ich weiß nicht! Das kommt darauf an, wie die Polen uns empfangen. Wenn sie die ganze Zeit sagen, wir sind Weltmeister, wir sind Weltmeister, müssen wir uns überlegen, wie wir dagegen halten können. Aber es sind keine polnischen Nationalspieler bei uns in der Mannschaft, deswegen werden sie sich wohl zurück halten. Ansonsten fange ich jedes Interview damit an, dass ich der weltbeste Zuspieler bin...“
Bundestrainer Vital Heynen hat in einer ganz kleinen Rede ans Team gesagt, „ihr kennt mich: nach Bronze will ich mehr!“ Du auch?
Kampa: „Ja, natürlich. Die Fußballer sagen stets, nach so einem Erfolg will man immer noch mehr. Da kann ich ihnen nur Recht geben, es macht Lust auf mehr. Einfach dieser Weg, den wir gegangen sind mit allen Rückschlägen, auf dem Podest zu stehen und etwas mitzunehmen als nur Erinnerungen oder ein paar schöne Ballwechsel ist ein gutes Gefühl. Und es gibt uns sicherlich auch Selbstvertrauen, das stärkt den Rücken extrem und hilft uns vielleicht auch zukünftig in kritischen Situationen.“
Heute startet die Frauen-WM, die DVV-Frauen wollen sich ein Beispiel an euch nehmen. Was traust du ihnen zu?
Kampa: „Die sollen das mindestens uns nachmachen! Letztes Jahr sind sie Vize-Europameisterinnen geworden, das ist dann auch schon eine Ansage für die Weltmeisterschaft. Ich hoffe, sie knüpfen nahtlos daran an, was wir geschafft haben und diese Euphorie weiter mittragen. Die Spiele kommen live im Fernsehen, die Voraussetzungen könnten nicht besser sein. Ich drücke die Daumen und hoffe, dass sie mindestens Bronze holen.“
Sie spielen den gleichen Modus wie ihr, könnten auch in 20 Tagen 13 Spiele machen. Hast du einen Rat parat?
Kampa: „Viel ausruhen, viel schlafen und die Pausen, die man hat, gut nutzen. Wenn man mal verloren hat, nicht zu viel daran knabbern, sondern das nächste Spiel gewinnen. Das ist immer ein gutes Rezept.“
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